„Black Currant & Hot Cross Buns”

 

...kurze Einblicke in das Leben des eigenwilligen Inselvölkchens

 

Sicherlich erwartet man eher eine Überschrift wie „Tea and Plum Pudding“, doch selbst in einem recht traditions- und nationalbewusstem Land wie Großbritannien bleiben Erneuerungen und innovative Trendentwicklungen nicht aus, glücklicherweise!!!

Nachdem aus einer „Schnapsidee“ (dabei war ich zu diesem Zeitpunkt noch strikter Antialkoholi­ker) herausgeboren meine Entscheidung zu einem einjährigem Auslandsaufenthalt fest stand und ich zugegeben meinen Eltern damit einen ungeheuren Schrecken beschert hatte, liefen die Vorbereitungen bald auf vollen Touren. Dabei stellt man sich selbstverständlich auch die Frage, was einen wohl erwarten wird.

 

Ein Glück, dass sich nicht alle Meinungen bewahrheiten, und dass es immer wieder erfreuliche Überraschungen gibt. So ist beispielsweise die englische Küche recht angenehm, wenn man es wagt über die „Fish&Chips-Mauer“ hinwegzusehen. Dies ist übrigens das typische Gericht für einen Freitag Abend...bei einigen hartnäckigen Anhängern sogar JEDEN Freitag Abend! Im allgemeinen überwiegt jedoch leichte Kost mit viel Gemüse und internationalen Einflüssen. Gewöhnungsbedürftig für den Deutschen scheint das Sandwich zum Mittag, dem oft noch eine kleine Tüte Chips in den Magen folgt. Abends vermisst man dann das knusprige dunkle Brot, nach dem man auf der Insel vergeblich sucht und enttäuschend nur auf labberigen Toast im besten Falle Weißbrot trifft.

Bestätigen kann ich nur die Tradition des Tees in England, vorzugsweise schwarzer Tee beliebig mit Milch und Zucker. Sei es am Morgen, zwischendurch auf Arbeit, nach Feierabend, bei Besuch, kleineren Problemen oder Ärgernissen, abends vor dem Fernseher oder in gemütlicher Runde mit Freunden, ein Tee passt zu jeder Gelegenheit!

 

Und so startete ich in den Morgen mit Tee und Cerealien, sattelte mein Rad und „biked“ zur Schule. Hasten braucht man selten, denn der Unterricht begann nicht vor 9am.

Jeder Schüler hatte seinen eigenen Stundenplan, der aus 3 bis 4 A-Level Kursen, Tutorenstunden und Informatik Unterricht besteht. Die Fächerauswahl erstreckt sich vom akademischen Bereich (Naturwissenschaften, Sprachen, Geschichte), über Spezialgebiete wie Recht, Politik, Wirtschaft&Marketing, Sport und künstlerische Richtungen (Drama, Musik, Photographie, Kunst) bis hin zu beruflich orientierten Kursen wie Pflege, Tourismus und Rechnungswesen. Eine Unter­richtsstunde dauert 60 oder 90 Minuten. Geregelte Pausen gibt es jedoch nicht, sondern ergeben sich aus dem Stundenplan, so dass man manchmal bis zu 4 Stunden frei hat. Diese Zeit kann man aber prima für Hausaufgaben, zum Lesen, Lernen, Email schreiben oder zum Plausch mit Freunden nutzen. Dafür gibt es 2 Aufenthaltsräume, eine Kantine, eine große Bibliothek mit Ruheraum sowie ausreichend Sitzgelegenheiten im LRC (Learning Ressource Center), wo rund 20 Computer mit Internetanschluss zur individuellen Benutzung frei stehen. Als wesentliche Unterschiede wären zu nennen, dass die Lehrer mit Vornamen angesprochen werden und in vielen Fächern die Prüfungen, nach Themen getrennt, über die 2 Jahre der Sekundarstufe II verteilt abgelegt und sogar wiederholt werden können.

 

Ein Großteil (an meinem College 90%) der Schüler verdienen sich mit einem Nebenjob zusätzlich Geld, das sie dann für Drinks in den Pubs und Clubs (Disco) wieder ausgeben. Generell ist der Eintritt erst ab 18 Jahren erlaubt, jedoch stehen die Chancen nicht schlecht bereits als 17 Jähriger geschickt an den Ordnern am Eingang vorbeizuhuschen, die übrigens mit korpulenter Figur,  schwarzem Anzug und strenger Miene ein wenig Furcht einflößend wirken! Aber nicht nur das Alter muss stimmen, sondern auch die Kleidung; blaue Jeans und Turnschuhe sind strikt tabu!!! Die Jungen treten in dunkler Hose und lässig hängendem Hemd eher einheitlich auf, während sich die Damenwelt mit spitzen Hackenschuhen in den schrillsten und gewagtesten Fummel zwängt - je kürzer und enger umso besser! Um 10pm öffnen sich die Türen und nicht selten sind die meisten bereits reichlich angeheitert - und hier geht das Trinken weiter. Im Großen und Ganzen beschränkt sich das Ziel eines Discobesuches auf das Finden eines Partners, wobei sich zeigt, dass die englische Jugend alles andere als prüde ist, wie dem Völkchen oft (zu Unrecht) nachgesagt wird. Um 2am ist plötzlich der Spuk vorbei, und es beginnt die Jagd nach einem Taxi, denn Busse fahren nicht mehr und der Heimweg ist meist recht lang.

 

Ein weiterer Trugschluss ist das „typisch englische„ Wetter, denn zumindest im Süden wird es im Sommer herrlich warm, der Januar war unerwartet sonnig und trocken und während des ganzen Jahres befand sich mein Regenschirm die meiste Zeit im Schrank. Angeblich wird es jedoch zuneh­mend regnerischer und kälter wie man sich nach Norden bewegt.

Es ist immer schön sich zurückzuerinnern, denn die Zeit verflog  mit Windeseile. Ich hatte das Glück meine Gastfamilie schon vor meinem Aufenthalt zu kennen und während 11 Monaten wurde eine Bekanntschaft zur ganz besonderen Freundschaft. Zusammen standen Nicky (meine Gastmama), ihr Sohn Luke und ich eine Menge durch. Scheidung, Freunde, Umzug, neuer Job und ein gestohlenes Auto sorgten für die Tiefen und Höhen des  Lebens und es war ein beruhigendes Gefühl für einander da sein zu können. Allein die so vielen unterschiedlichen Leute die man trifft und kennen lernt, bilden mit den interessantesten Teil des Aufenthaltes. Meine Freunde kamen aus der ganzen Welt - Brasilien, Lettland, Italien, Schweiz, Österreich, Großbritannien - da wurde es selten langweilig. Wir versuchen in Kontakt zu bleiben und planen uns irgendwann mal wieder zu treffen.

 

Einen Teil, der noch in England ist, besuchte ich in den Herbstferien. Erst fühlte ich mich ein wenig eigenartig, doch bald gewöhnte ich mich wieder an Tee und Leute, die ich doch sehr vermisst hatte. Am Ende der Woche schien es, als sei ich nie fort gewesen und der Abschied fiel erneut sehr schwer. Aber bei dem Gedanken an ein baldiges Wiedersehen schlägt mein Herz schon höher...vom Fernweh gepackt?!

 

 

PS:   Wenn Euch auch ein wenig das Fernweh und Reisefieber kitzelt oder Eure Fragen noch             unbeantwortet blieben, dann zögert nicht lange und sprecht mich einfach an.

         „You are always welcome!”

 

                                              See you, Antje

 

(A. Frommholz, November `00)

 

 

 

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